Urologische Klinik

ANNA hilft Präventionsmuffeln auf die Sprünge
Neues Verfahren in der urologischen Tumordiagnostik
Mit einem neuen Verfahren in der urologischen Tumordiagnostik kann Prof. Dr. Tillmann Loch aus Flensburg schonender und präziser untersuchen. ANNA – so heißt das Verfahren – ist von ihm selbst entwickelt und in kürzester Zeit nicht nur ein bundesweiter Exportschlager geworden.
Präventionsmuffel Mann – das mag keiner hören, ist aber Fakt. Nur jeder fünfte Mann geht zur Krebsvorsorge. Prostatakrebs ist der häufigste bösartige Tumor und die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern. Der Krebs ist in über 80 Prozent der Fälle heilbar, wenn er früh erkannt wird. Statistisch gesehen wird jeder vierte Mann im Laufe seines Lebens an diesem Tumor erkranken, das sind rund 45.000 Neuerkrankungen im Jahr.
Grund genug für regelmäßige Vorsorge – denn man(n) entgeht nie der Diagnose, nur der Therapie. Die gängige Praxis, ob überhaupt ein Verdacht auf Prostatakrebs vorliegt, wird mit einer Blutuntersuchung ermittelt. Gemessen wird die Konzentration des „prostataspezifischen Antigens“ im Blut-Serum – das ist der sogenannte PSA-Wert. Die gemessenen Werte lassen allerdings keine eindeutige Diagnose zu: Ursache eines erhöhten Wertes kann auch eine gutartige Erkrankung sein. Außerdem gibt es Prostatakrebs, der PSA-Werte im Normbereich aufweist.

Das Abtasten der Prostata und der transrektale Ultraschall (TRUS) als weitere diagnostische Methoden liefern oft auch nur ungenaue Ergebnisse. Erst die Gewebeprobe (Biopsie) kann einen bestehenden Krebsverdacht beweisen – aber wenn man den Tumor verfehlt, auch nicht sicher ausschließen. Die Untersuchungsmethode heißt in diesem Fall systematische Zufallsbiopsien. In dem Verfahren wird „schrotschussartig“ systematisch Gewebe aus geometrisch vordefinierten Arealen der Prostata entnommen. Das wird in der Regel zwischen sechs- und zwölfmal in einer Sitzung getan und bleibt dennoch ein eher ungezielter, zufälliger Nachweis eines Tumors. Deshalb bestimmt die Anzahl der individuellen Gewebeentnahmen pro Mehrfachbiopsie die Nachweisgenauigkeit. Wegen dieser systemimmanenten Gefahr, ein Karzinom zu verfehlen, gibt es zusätzlich sogenannte Saturationsbiopsien. Sie beinhalten 24 bis zu über 100 Gewebeentnahmen pro systematischer Mehrfachbiopsie, um eine höhere Karzinomtrefferrate zu erreichen. 100 Entnahmen sind natürlich der Extremfall – so aber schon geschehen – und in dieser Form nur noch in Vollnarkose zu machen.
C-TRUS ANNA
Um mögliche Prostatakarzinome präziser und schonender als bislang diagnostizieren zu können, hat Prof. Dr. Tillmann Loch, Chefarzt der DIAKO-Urologie, ein neues Diagnoseverfahren entwickelt. Dieses neue Verfahren ist eine Weiterentwicklung der konventionellen, transrektalen Ultraschalluntersuchung (TRUS). Der Nachteil des herkömmlichen Ultraschalls ist, dass die visuelle Beurteilung der Grautöne des Bildes spezifische Aussagen nicht wirklich zulassen. Das neue Verfahren ermöglicht es, mithilfe des Computers (C-TRUS) zusätzliche Informationen aus den Aufnahmen herauszufiltern und auszuwerten, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind.
Basis dafür ist die „artifizielle neuronale Netzwerkanalyse“ (ANNA). C-TRUS/ANNA heißt das neue Verfahren mit vollem Namen. ANNA wurde für ihre Aufgabe regelrecht trainiert. Die Bildpunkte der Ultraschallaufnahmen wurden mit Auswertungen von später operativ entferntem Prostatagewebe genau verglichen und verrechnet. Die Prostatapräparate, Großflächenschnitte, wurden hierzu eingescannt und mittels Computertechnik exakt über die Ultraschallaufnahme gelegt.
Mit diesen komplexen Daten wurde ANNA gefüttert; das System hat die Informationen erlernt und erkennt nun bei anderen Ultraschallbildern Formationen wieder, kann sie korrekt klassifizieren und projiziert seine Auswertung mit roten Markierungen auf die Aufnahme. ANNAs diagnostische Treffsicherheit ist in Studien bereits belegt: Sie erhöht die Treffsicherheit der Ultraschallauswertung signifikant. Das Computersystem kann exakter als bisher gut- und bösartige Veränderungen des Gewebes erkennen und spürt dabei Stellen in der Prostata auf, die am verdächtigsten sind. Eine gezieltere Biopsie ist dadurch möglich.
Mit ANNA können Tumore auch zuverlässiger in Stadien eingeteilt werden. Dabei können die behandelnden Ärztinnen und Ärzte auch mehr Informationen darüber erhalten, ob z.B. der Krebs noch auf die Prostata begrenzt oder schon darüber hinaus gewachsen ist. Bislang wird oft erst nach der Operation festgestellt, ob der Krebs die Prostatakapsel schon verlassen hat. Mit diesem Wissen wäre die Therapieentscheidung vielleicht anders ausgefallen.
Für den Präventionsmuffel Mann und für betroffene Patienten ist das neue Verfahren eine echte Verbesserung: Die Anzahl der erforderlichen Biopsien wird radikal reduziert, und die Sicherheit des Befunds ist deutlich höher. Der Krebs wird früher entdeckt und kann so auch früher behandelt werden.
Dr. Loch wurde für seine Veröffentlichungen über ANNA schon mit folgenden Preisen ausgezeichnet:
1988 Peter-Bischoff-Preis der Vereinigung Norddeutscher Urologen e. V.
1996 Best Poster Award der American Urological Association
1996 Bard-Preis der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V.
1999 Best Poster Presentation European Association of Urology
2003 Werner-Staehler-Gedächtnispreis der Südwestdeutschen Gesellschaft für Urologie
2004 Maximilian-Nitze-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen der experimentellen oder klinischen Urologie (höchster Preis der Deutschen Gesellschaft für Urologie)
Leitprojekt
C-TRUS/ANNA ist die Basis für das Leitprojekt der Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein „Netzwerk Innovative Urologische Tumordiagnostik Flensburg“. Mit diesem Leitprojekt fördert die Gesundheitsinitiative Spitzenmedizin und Spitzentechnologie made in Schleswig-Holstein – für eine verbesserte Gesundheitsversorgung und den Abbau der Präventionsscheu bei Männern. Konkret wird der Aufbau eines klinischen Referenzzentrums (Center of Excellence) an der DIAKO in Flensburg mit Chefarzt Prof. Dr. Tillmann Loch als medizinischem und wissenschaftlichem Leiter gefördert. Mit dem Referenzzentrum im Mittelpunkt soll ein Netzwerk entstehen, das Aus- und Fortbildung zu den neuen Diagnoseverfahren sowie Wissenstransfer zwischen den beteiligten Urologinnen und Urologen ermöglicht.
Langfristiges Ziel ist es, auf der Basis ultraschallgestützter Bildgebung nicht nur die Diagnostik, sondern auch die Therapiesteuerung nach neusten Standards zu ermöglichen – auch wenn die Anwenderinnen und Anwender über ganz Deutschland verteilt sind. Das Verfahren soll über das Netzwerk intensiv weiterentwickelt werden. Perspektivisch könnte ANNA auch für die Diagnostik und Therapie anderer Organsysteme entwickelt werden. Dieses Diagnoseverfahren ist weltweit noch einmalig. Bislang gab es nur das eine Gerät, das Prof. Dr. Tillmann Loch in Forschungsaufenthalten in den USA entwickelt hat. Das Ziel war immer die Verbreitung und Weiterentwicklung des Verfahrens. Neue Patienten ergeben neue Daten – Futter für ANNA und die Tumordiagnostik. ANNAs Verbreitung kommt also auch den Patienten zugute.
Sehen Sie hier ANNA und die DIAKO-Urologie im Film bei YouTube.